Der Greuterhof war eine der ersten Fabriken der Schweiz. Bernhard Greuter, von Beruf Stofffärber und -drucker, richtete hier ab dem Jahre 1777, vor rund 230 Jahren, eine Indigo-Färberei ein. Sein unternehmerischer Erfolg beruhte auf Kreativität und Innovation und schrieb Schweizer Industriegeschichte.
Diese Fabrik wurde vor, während und nach der französischen Revolution erstellt. Die Anlage war nämlich 1799, 22 Jahre nach der Firmengründung, vollendet. In vier Bauetappen verband er die schon bestehenden drei Einzelhäuser. Dadurch entstand die klosterähnliche Anlage, welche den damaligen Schutzbedürfnissen entgegen gekommen ist. Der Abschluss war der Einbau vom Riesenwasserrad.
Im Jahre 1802 wurde das 25-jährige Firmenjubiläum gefeiert. Aus diesem Anlass gründete der Unternehmer Bernhard Greuter die erste betriebliche Sozialversicherung unseres Landes, bestehend aus: Betriebskrankenkasse, Militärversicherung, Alterssparkasse und einer Reisekasse zu Ausbildungszwecken, sowie eine Viehversicherung und einen Schulfond. Greuter war der Meinung, dass alle Kinder lesen, rechnen und schreiben lernen sollten. War doch einer der Gründe seines Erfolges, dass er als Waisenknabe in Wattwil die Schule besuchen konnte. Um 1810 beschäftigten die Unternehmungen Greuter zusammen mit den Kompagnons Ziegler und Rieter über insgesamt 3300 Arbeitnehmer. Der eine Standort war hier in Islikon, an welchen sich um die Fabrik herum sich in 32 Häusern noch weitere Fertigungsräume und Spezialabteilungen befanden. Ferner in Frauenfeld und in Guebwiller im Elsass. Dieser letztere Sitz diente dazu, die napoleonischen Zollschranken zu überwinden!
Greuters Sozialversicherung machte erst 21 bis 100 Jahre später lokal und national Schule. 1823 waren die kleinen und mittleren Unternehmungen, KMU, in Frauenfeld gezwungen, ihre Gesellen auch gleich zu versichern. Selbst auf nationaler Ebene löste die Sozialversicherung von Greuter Echo aus. Der Enkel eines Koloristen dieser Firma, der mangels Altersvorsorge auch im hohen Alter von 80 Jahren noch hier arbeiten musste, wurde Nationalrat und später Bundesrat, sein Name war Ludwig Forrer.
Da er als Jurist laufend mit Haftpflichtfällen auf dem Platz Winterthur beschäftigt war, kam ihm der Gedanke, dass eine Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung notwendig sei. Der Bundesrat hat ihm dann 1890 den Auftrag gegeben, dieses Gesetz zu entwerfen. Er stellte es fünf Jahre später dem Parlament vor und plädierte in den letzten Sätzen seiner Ansprache noch für eine Alters- und Hinterbliebenenversicherung sowie Invalidenversicherung (AHV/IV), die aber schlussendlich erst 52 Jahre später die Hürde der Volksabstimmung genommen hat.
Wenige Tage vor dieser denkwürdigen Abstimmung im Jahre 1947 erschien in den Tageszeitungen ein unterstützendes Gedicht. Es stammte vom Sohn eines anderen Mitarbeiters der Greuterschen Fabrik ab – Alfred Huggenberger. Der Ostschweizer Dichter und Bauer, dem in den letzten Jahren wieder zunehmend Beachtung geschenkt wird. Alfred Huggenberger ist 1960 im hohen Alter von 93 Jahren gestorben.
Bernhard Greuter hat seinerzeit auch der Landwirtschaft Impulse gegeben. Noch vor 1800 baute er nebenan die damals grösste Scheune der Schweiz.
Bernhard Greuter, Ludwig Forrer und Alfred Huggenberger haben in wichtigen Momenten ihres Lebens – unabhängig voneinander – am gleichen Strick gezogen, nämlich in Richtung Freiheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität.
Der Erfolg von Bernhard Greuter und seiner Nachfahren war das direkte Ergebnis seiner Kreativität, Vertragstreue, Qualität und Innovationskraft. 3000 Geschäftspartner rund um die Welt wurden einwandfrei beliefert, wohlverstanden ohne Telefon, Radio, Fax, Mobiltelefon, Fahrrad, Eisenbahn, Auto und Flugzeug. Und heute? Trotz dem Zeitalter der Informatik, Normierung und Qualitätssicherung scheint die Luft der Wirtschaft weg zu sein! Umso mehr lohnt es sich diese historische Stätte der Schweizer Industriegeschichte zu bewahren und mit Veranstaltungen in den Bereichen Bildung und Kultur zu beleben. Und Dabei im Besonderen die Begegnung der Generationen zum Zweck des Austausches von Wissen und Erfahrung zu fördern.
Nach dem Erwerb der heruntergekommen Liegenschaft im Jahre 1978 durch den Islikoner Unternehmer Hans Jossi, 1928–2004, wurde sie 1981 durch Ihn als Initiant und Mitbegründer der damaligen Stiftung Bernhard Greuter für Berufsinformation, in die heutige Stiftung Greuterhof Islikon.
Mehr Informationen zur Geschichte des Greuterhofs finden Sie in unserem Flyer.
KUNSTFÜHRER GREUTERHOF
Im Kunstführer „Der Greuerhof in Islikon – ein Baudenkmal aus der Frühzeit der Industrialisierung“ haben die beiden Autoren, Ottavio Clavuot und Jürg Ganz, die Geschichte des Greuterhofs sowie den Werdegang von Bernhard Greuter zusammengestellt. Der Kunstführer beschreibt die Entwicklung des einstigen Bauerndorfs Islikon zum Industriedorf im ausgehenden 18. und während des 19. Jahrhunders. Gerade durch seine Nähe zu Winterthur, dem wichtigsten Zentrum des Handels und der Verarbeitung von Baumwolle in der Schweiz um 1800, wurde Islikon wesentlich geprägt. Ebenso bestimmend war in Islikon das Wirken der Unternehmerfamilie Greuter, die von hier aus bis in die 1860er-Jahre die grösste schweizerische Baumwolldruckerei und -färberei aufbaute. Von den einst einen eigenen Dorfteil bildenden Bauten des Greuterschen Betriebes haben sich einzig der Kern- und Gründungsbau mit imposanter Scheunenhenke und einige kleinere Bauten erhalten. In seiner kompakten Geschlossenheit mit schlossartigem Äusserem und vielfältiger, Gewerbe und Wohnen dienender Nutzung im Innern ist der „Greuterhof“ ein typischer und eindrucksvoller Vertreter des Fabrikbaus aus der Frühzeit der Industrialisierung.
Der 50seitige Führer, mit diversen Bildern bereichert, ist ein Muss für alle, welche sich für den Greuterhof und die Geschichte Islikons interessieren. Für CHF 10.- exkl. Porto kann das Heft im Sekretariat der Stiftung Greuterhof Islikon bestellt werden.